Kurzgeschichten

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„Immer beschäftigt, immer was zu tun“.

 

 

 

 

„Immer beschäftigt, immer was zu

tun“.

  

 Von Harry Banaszak

 

 

 

Seitdem meine Freundin  Berta in Rente ist hat sie keine Zeit mehr. Wenn sie man Enkel hätte oder einen Hund, so wie ich,  nein, noch nicht einmal ein richtiges Hobby hat sie, beklagte sich meine Nachbarin bei mir. Und dann gab sie folgende Geschichte zum Besten:

„Da habe ich neulich einen Apfelkuchen, „Sehr fein“, gebacken und die Berta  zu einem Stück Kuchen „ohne Sahne“, weil sie ja immer die Kalorien zählt,  und einer Tasse Kaffee  eingeladen: und noch betont: „Auch ohne  wird er schmecken.“.

Gerade jetzt, bei dem schlechten Wetter,   ist ein Stück Kuchen am Nachmittag, die gute  Tasse Bohnen-Kaffee,  ein Plausch über nicht Anwesende die Rettung  des Tages.

Aber nee, sie hatte mal wieder keine Zeit. Gut, dachte ich und machte es mir  alleine in der  guten Stube  bequem.

Das leckere  Kuchenstück auf dem Teller lachte mich an. Draußen regnete es Ein eisiger Ostwind trieb im Garten die trockenen Blätter vom letzten Herbst vor sich her. Das Feuer im Kohleofen bollerte, verbreitete wohlige Wärme und  der frisch gebrühte Kaffee verströmte Kaffeehaus-Aroma.  

Mein Hund, Loni, lag  auf seiner Matte, den Kopf auf den Pfoten und beobachtete mich.

 Genüsslich schlürfte ich den Kaffee, biss in den Kuchen und war zufrieden mit mir und der  Welt. Plötzlich  klingelte das Telefon. Automatisch erhöhte sich mein Blutdruck. Ich überlegte: Hörer abnehmen  oder nicht?  Die Neugier siegte.

„Hallo?“,  meldete ich mich. „Ach, ich wollte mich nur noch entschuldigen, dass ich nicht gekommen bin“, tönte die Stimme meiner Freundin aus dem Hörer, „aber du weißt ja, keine Zeit, soviel zu tun, das verstehst Du doch?“ Ich wollte antworten, aber lästige Kuchenkrümel drückten  unangenehm unter dem Gebiss, das  störte beim Sprechen, ich war ja allein, also nahm ich  die „Dritten“  aus dem Mund, wusste im Augenblick nicht wohin, und platzierte sie  auf den Tisch neben den Teller. Da  klingelte es an der Tür. „Hallo Berta“, rief ich ins  Telefon, „danke für den Anruf, wir sehen uns dann morgen, es hat soeben geklingelt, oder  warte, ich bin gleich wieder da.“. An der Tür stand der Postbote. Auch er entschuldigte sich, sagte, er bringe ein  Päckchen für die   Nachbarin, ob er es abgeben dürfe. Ich nahm das Päckchen, schloss die Tür.

 

Da sah ich meinen Hund.  Ich traute meinen Augen nicht. Aus dem Telefonhörer hörte ich Bertas Stimme: „Hallo, hallo“, rief sie: „Iss was?” Ich konnte nicht antworten. Was ich sah verschlug mir die Sprache. Vor mir stand Loni, sah mich mit ihren treuen Hundeaugen an, wedelte freudig mit dem Schwanze und legte mir die  angekauten Teile meines   Gebisses vor die Füße.

 

 Ich wurde blass, ich musste mich setzen. Ich stand kurz vor einem Herzinfarkt.  Schweiß bildete sich auf meiner Stirn.

 Loni musste den Befehl „Bring“ gehört haben, den ich beim  Apportieren benutze. Jetzt wartete der Hund  auf sein Lob, auf  die Streicheleinheiten. 

Inzwischen war der Kaffee kalt geworden. Mein Mund war  ohne Zähne und ich  mit den Nerven am Ende. Bertas Gespräch hatte ich weggedrückt. Den   Rest des Kuchens mochte ich auch  nicht mehr.

 

 Loni war beleidigt und ich hilflos.

 

Mit zusammengepressten Lippen, gesenktem Kopf und einem  Schal vor dem Mund ging ich am nächsten Tag zum Zahnarzt. Die Sprechstundenhilfe, eine junge Frau mit blendend weißen Zähnen saß hinter dem Tresen, schaute  kaum auf und fragte: „Haben Sie einen Termin?“ „Nein“. Tut mir leid, wir behandeln nur nach vorheriger Anmeldung.“

„Gut“, sagte ich, „erzählen sie das meinem Hund“, mein Herz geriet wieder in Aufruhr. Mir wurde schwindelig. Ich drohte zu fallen. Ein älterer Herr, der gerade die Praxis betrat, fing mich auf.

„Machen Sie sich nix draus“, sagte er, mich im Arm haltend, „erst, wenn das  Fräulein in unsere Jahre gekommen is, hat sie die Reife zu verstehen“, sagte er. Der Spruch war meine Rettung. Die Sprechstundenhilfe war empört, guckte auf. Sah mich zahnlose Minka, bekam nun wohl doch ein schlechtes Gewissen, erinnerte sie sich an das Wort Notfall und nach zwei Stunden Wartezeit empfing mich der Arzt.

Wegen der anteiligen Kosten, für die neuen Zähne, fiel zwar der geplante Urlaub aus, aber zu meinen vierten Zähnen bekam ich den hilfsbereiten, älteren Herren als Lebens-Abschnitt-Begleiter dazu.

Wir sind sehr glücklich.  Dank Loni.

 

Und  nun -, meine Nachbarin lacht und sagt:  „Habe ich auch immer etwas zu tun, so, wie meine Freundin Berta“.

 

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